Krank dieses Haus

Ein besonderer Ort

Das Krankenhaus ist in meiner Vorstellung ein sehr striktes Milieu gewesen, in dem es nach Fäkalien, Medikamenten und Kaffee riecht. Alle Menschen würden in weißer Kleidung durch die grauen Gänge laufen, wo sie fast in ihnen verschmelzen würden.
Es würde oft ein rauer Ton herrschen, dem man sich anpassen müsse, denn es ginge schließlich um Menschenleben.
Reglements wären die Sprache im Krankenhaus, um die getanzt werden würde, da eine Rettung kein einheitliches Verfahren sei.
Jeder Mensch ist anders krank, oder nicht?
Meine Vorstellungen waren wirr. Denn einerseits war es für mich ein bedrohlicher Ort, voller Regeln und Zeitdruck, andererseits ein Ort voller Hoffnung und Sinngebung. Und nach der Beendigung meiner Ausbildung ist es mehr denn je ein Tanz zwischen Verantwortung, Extremsituationen, Gesetzen, Menschlichkeit und der Versuch alles unter einen Hut zu bekommen.


Das Krankenhaus in meiner Realität hat tatsächlich genau diesen Geruch. Nur das einige Pfleger:innen oder Ärzt:innen eine Prise ihres Parfüms hinzugeben. Je nach Geruch weiß ich schon, mit wem ich die Schicht bewältigen werde, aber manchmal ist es auch nur ein Parfüm eines Patienten. Die Ärzt:innen treten in weiß auf und haben meistens den „alles sagenden“ weißen Kittel an, der sie unverkennbar macht. Die Pfleger:innen tragen auf den Stationen meistens blaue Kasacks und weiße Hosen, außer im OP – da ist grün die bestimmende Farbe.
Als Mitarbeitender huscht man in blau, grün oder weiß über den Flur, der einen zu seiner nächsten Aufgabe bringt. Hinter jeder Tür ist eine Herausforderung verborgen, die man vorher nicht hätte erahnen können.
An den meisten Tagen bestimmt der Zeitdruck jeden Handgriff.
Die Reglements sind längst nicht so streng wie ich dachte, da das Chaos allgegenwärtig ist.
Und das Chaos ist nicht in medizinischen Unkönnen oder dem Wunsch nach Unordnung zu ergründen, sondern die einfache Antwort auf die Frage, warum in Krankenhäusern Chaos herrscht ist und bleibt der Personalmangel.
Doch was ist die Sinngebung, wenn man vor lauter Aufgaben, Anrufe, Überschichten und Ärgernissen im Chaos versinken könnte?
Es geht um Menschenleben, das ist die Sinngebung.
Die Hoffnung wird bei jeder Schicht neu verteilt, denn manchmal gibt es keine.
Und das macht diesen Ort so besonders.
Denn diese Tage, in denen es keine Hoffnung gibt, in denen einem der Lärm des Telefons und das „Hallo Schwester“ oder „Hilfe“ zu viel wird, in denen Menschen nicht genügend Zuwendung bekommen und andere zu viel Raum einnehmen, sind die, die einen auf die Probe stellen.
Die Kraft wird aus dir ausgesogen, aber genau dieser Moment, der die Hoffnung zurückgibt, der ein/e Patient:in zum Lächeln bringt, der das Team zusammenwachsen lässt, der eine Krankheit besiegt, der lässt die negativen Ereignisse an manchen Tagen erträglich machen.
Doch diese Szenario ist wie die Hoffnung: Es gibt keine Garantie für das Eintreffen des „Happy Ends“.
Die Hoffnung auf Besserung wird in jedem Jahr neu verteilt, gefüttert durch Gewerkschaften und Streiks, aber wer wird bald meine Hand halten, wenn niemand mehr bereit ist zu kämpfen?

Was wir verdienen

Im Krankenhaus ist das gesellschaftlichen Leben „da draußen“, außerhalb abgeschaltet und es herrscht eine ganz andere Realität.
24/7 arbeiten Menschen in dieser eigenen kleinen Welt, die zwischen Hoffnung und Verzweiflung alle Gefühle vereint und nicht nur Menschen in Zwiespälte katapultiert, sondern sie auch zusammenschweißt.
Die Faszination über diese Parallelwelt wird in Serien verpackt, wo vor allem Werbung für Sex während der Schicht in Bereitschaftszimmern gemacht wird. Natürlich haben Ärzt:innen und Pflegende auf Station genügend Zeit für kleine Doktorspielchen nebenan, während sich Medikamente, Behandlungen, Verbandswechseln, Körperpflegeunterstützungen oder Operationsvorbereitungen von selbst verteilen und erledigen.
Es ist denke ich jedem klar, dass diese Serien nur bedingt die Realität abbilden.
Ich wollte keine Gesundheits- und Krankenpflegerin werden, um sexualisiert zu werden.
Was ich mich aber frage ist, wer sich von den in den Machtpositionen Stehenden wirklich mal die Frage gestellt hat diese Berufe attraktiv zu machen.
Das, was Gewerkschaften und damit Arbeiter:innen des jeweiligen Sektors fordern scheint eben kein ausreichender Vorschlag zu sein.


Was ebenfalls faszinierend ist, ist, dass viele wissen, dass sie weder Sex noch gute Arbeitsbedingungen im Krankenhaus erwartet und trotzdem gehen sie in den medizinischen Sektor.
Ich meine „Respekt, aber ich könnte das nie“ ist eins der häufigsten Sätze, die ich seit meiner Ausbildung gehört habe. Manchmal glaube ich das auch. „Ich kann das nicht“, weil der Schichtdienst, das ständige Stationswechseln in der Ausbildung, die physische Belastung beim Patient:innen mobilisieren und die psychische Belastung durch die Verantwortung und die Rahmenbedingungen, die eine optimale Versorgung behindern, mich manchmal zu diesem Gedanken bringen.
Doch das, was mir an dem Beruf Spaß macht, möchte ich dauerhaft fühlen, denn es kann das beste Gefühl sein. Im Team arbeiten, etwas sichtbares oder emotionales bei anderen Menschen bewirken, den menschlichen Körper und seine Funktion verstehen und kennenlernen, Gesundheitsberatung durchführen..das könnte alles leichter sein, wenn es keine 24/7 Fabrik wäre, die weder den Anspruch hat Menschen individuell nach ihren Bedürfnissen zu behandeln noch den Anspruch hat seine Mitarbeitenden wertzuschätzen.
Es hat nicht unbedingt nur etwas mit einer konkreten Station oder einem konkreten Krankenhaus zu tun, sondern eher mit dem gesetzlichen Rahmen, der geschaffen wurde. Wozu braucht es eine Privatisierung der Krankenhäuser? Ein Grundbedürfnis, das die Gesundheitsversorgung ist, in ein Wirtschaftsunternehmen umzuwandeln, kann doch keine gute Idee sein. Wo ist der Gesundheitssektor im Haushaltsplan und warum wird nicht konkret etwas getan? Wo ist die Evidenz basierte Pflege und die Gelder für Studien und Studienplätze?
Die Krankenhäuser sind krank, weil das System krank ist und nicht mehr durch alte Krücken gestützt werden kann.
Wo ist die Empörung darüber? Ich brauche definitiv keinen Applaus, nur einen gerechten, respektvollen Umgang mit meinen Kolleg:innen & mir und den Patient:innen. Wir wollen nur das, was wir verdienen. Wir wollen Veränderung – jetzt!



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