Reden ist Lava

Lavalampen sind ruhig. Schön anzusehende Lava bewegt sich in der Spaceship förmigen Flasche auf und ab.
Während ich mir die blauen Bälle anschaute wie sie sich in ihrer weichen Beschaffenheit aneinander schmiegten und wieder trennten , in dem Wissen in der nächsten Sekunde wieder zurück an der gleichen Stelle zu sein, dachte ich darüber nach, was meine Freundin zu mir gesagt hatte: „Reden ist Lava.
Sie meinte mich damit – für mich war Reden Lava, wenn es um (potentielle) Konflikte geht.
Abgeleitet ist dieses neue Sprichwort – offensichtlich – von dem damaligen, beliebten Kindergartenspiel „Der Boden ist Lava“.
Jedes Kind musste für eine unbestimmte Zeit den Boden meiden, als würde er einen sonst in die Tiefe reißen und grausam verbrennen lassen. Stühle, Bänke, Tische, Regale, Waschbecken…alles war erlaubt zu berühren, nur das essentiellste für die menschliche Fortbewegung vor Erfindung der Schiffe und Flugzeuge nicht: Der Boden.
Erschreckend wie gut der Vergleich zutrifft, wenn ich bedenke, dass es Situationen gibt, wo ich alles erdenkliche tue, um etwas nicht ansprechen zu müssen.
Ist es einfach meine persönliche Unfähigkeit meine Gefühle und Gedanken zu äußern? Ist es eine Charaktersache, dass ich lieber auf „sicherem Boden“ bleibe, da ich sonst von der Lava verbrannt werde?
Was wäre, wenn meine Generation den Leitsatz „Reden ist Lava“ hätte und was würde das mit unserer Gesellschaft machen?

Meine Lavalampe

Schon des Öfteren habe ich mit Freund*innen über Streitkultur geredet, da sie bei jeder zwischenmenschlichen Beziehung andere Facetten in einem aufzeigt. Gute Kommunikation bedeutet nämlich auch eine gute Streitkultur zu pflegen, oder?
Abgesehen von dem Unterschied, ob der Streit im privaten oder beruflichen Umfeld stattfindet, ist ein wesentlicher Unterschied im Umgang mit Streit das eigene Selbstwertgefühl/Selbstbewusstsein, die eigene Rolle in der Beziehung (Augenhöhe = gleiches Machtverhältnis?) , die eigene Rolle in der Gesellschaft (von Diskriminierung, Stereotypen/Vorurteilen betroffen?), die eigene Fähigkeit der Selbstreflexion und die bisherigen Erfahrungswerte mit Streits. Wie kommt es also dazu, dass ich lieber meine Bedürfnisse und Gefühle verschweige, als dass ich sie offen kommuniziere?

Le bleu Lavalampé

Verlustangst“ ist das erste, was mir in den Kopf kommt. Was ist, wenn mein Standpunkt die Person verletzt und sie mich folglich lieber verlässt, als eine Lösung zu finden?
In diese Angst spielt auch die eigene Verletzlichkeit hinein. Durch die Äußerung meiner Bedürfnisse mache ich mich verletzlich, wenn diese abgelehnt oder nicht ernst genommen werden. Obwohl es selten der Fall ist (unmöglich ist es nie) bzw. Ich aktuell nicht an eine konkrete Situation erinnern kann, ist diese Angst real.
Ich bin aber auch in einer verletzlichen Position, wenn ich mit der Person in einer Beziehung (familiär, freundschaftlich, romantisch) bin und ein Konflikt stark emotionsgeladen ist. Meine Gefühle wie z.B. Wut, Enttäuschung, Trauer etc., können sich zwar durch den Konflikt entladen und sich dadurch auch auflösen, andererseits können sie auch verstärkt werden. Was ist, wenn ich dann unüberlegt aus der emotionalen Laune Gedanken äußere, die nach dem „Gefühlsausbruch“ irrelevant sind?

Es ist ein Kontrollverlust für mich, da ich nicht weiß, wie die andere Person reagiert.
Die Kunst an dieser Art des Kontrollverlustes ist es, sich vor Augen zu führen, dass eine Beziehung nur durch Auseinandersetzungen wachsen kann. Wie soll auf meine Bedürfnisse eingegangen werden, wenn ich sie nicht äußern kann?
Wie soll ich jemanden wirklich kennenlernen, wenn ich nur das harmonische Miteinander beleuchte und den Rest im verborgenen Schatte belasse?
Alles nur, um nicht über meinen eigenen Schatten springen zu müssen?

Meine Lavalampe soll nicht „Reden ist Lava“ als Message tragen. Ich muss mir ein neues Mantra suchen, was mich antreibt mein eigenes Ego zu hinterfragen.

Der Vulkan

Meine kleine Lavalampe, die Zuhause auf meinem Regal steht, ist mein persönliches Problem.
Der Vulkan, der draußen vor meiner Haustür steht und jeden Moment ausbrechen könnte, ist plötzlich ein allgemeines Problem.

Wenn ich an Konflikte in der Gesellschaft denke, denke ich an: Sexismus, Klassismus, Rassismus, LGBTQIA+ Diskriminierung, Medien, Politik, Einkaufen in Corona- Zeiten, Drogenkonsum, Wirtschaft, den Wohnungsmarkt uvm.
Es gibt ein unendliches Spektrum an Konflikten in der Gesellschaft, die logischerweise nicht mit einem Gespräch oder mit DER einen Lösung beendet werden können, aber ein grundsätzlicher Leitfaden könnte sein Betroffenen zuzuhören und offen zu kommunizieren.
Wie soll das funktionieren, wenn die in der Machtposition stehenden den Vulkanausbruch leugnen?


Wenn ich da in meiner Erfahrungskiste wühle, sowohl in der Schul-, Uni- und Ausbildungszeit, war das oft ein Problem, dass die Kommunikation zwar als „wichtiges Gut“ angesehen wurde, aber definitiv selten vorgelebt wurde.
Oftmals werden „Anweisungen“ oder vorgestellte „wissenschaftliche Inhalte“ kommentarlos hingenommen, obwohl sie diskriminierende Aussagen in sich versteckt hatten. Ich kann mich davon nicht frei machen, genauso wenig wie ich mich davon frei machen kann, mich aus meinem Privileg heraus früher nicht über Themengebiete wie Rassismus informiert zu haben.
Mir ist es damals demnach nicht so stark aufgefallen wie heutzutage.


Was mir dabei auffällt ist, dass es vielen, die ich kenne (einschließlich mir) schwer fällt für seine eigenen Recht einzutreten.
Niemand möchte „Stress“ machen oder negatives Aufsehen provozieren, um selbst gefügig in das Bild der angestrebten Gruppe zu passen. Es wird lieber gearbeitet als gestreikt, lieber geschwiegen, als dass diskutiert wird.
Diese Mentalität wurde uns, denke ich, anerzogen, um sich seinen eigenen Weg im System zu erschleichen. Einerseits so individuell wie möglich sein, auf der anderen Seite nicht individuell genug sein, um eine Veränderung ins Rollen zu bringen.
Es wird lieber nicht hinterfragt, um in keinem moralischen Dilemma zu landen, was einen persönlich anstrengt und in gewisser Weise auch verzweifeln lässt. Es ist einfach zu schweigen und zu nicken, aber es ist auch feige und nimmt jedem die Chance etwas zum Besseren zu verändern. Welches neue Mantra soll ich nun wählen?

Schweigen ist Lava

Quelle: Meine Erfahrung mit Konflikten
Le bleu Lavalampé illuminé

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